Lösung oder Problem

oder: warum man die besten Ideen unter der Dusche hat …

duscheDie Wahrnehmung eines Problems steckt mit dem Problem bereits unter einer Decke, meint Dirk Baecker völlig zu Recht. Wer ein Problem als Problem wahrnimmt trägt zu dessen Kontinuierung bei, nicht aber zu dessen Lösung (Postheroisches Management, Merve 1994).

Die Problemsicht verunmöglicht die Sicht auf die Lösung, ist das Problem doch expressis verbis unlösbar – wäre es sonst ein Problem?

Ein Problem zu lösen bedeutet folgerichtig es nicht angemessen wahrgenommen zu haben – es nicht als Problem akzeptiert zu haben.
Dies unterstellt auch der Philosoph Ludwig Wittgenstein in seinem Tractatus, indem er meint die Lösung des Problems erkenne man am Verschwinden eben dieses Problems.
Es ist also die Perspektive, die den wesentlichen Unterschied macht. Es ist die Realitäts-Konstruktion des Beobachters, die entweder eine Lösung ermöglicht, oder eben ein Problem schafft bzw. erhält.

Problem talking creates Problems – Solution talking creates Solutions. Wie könnte man es besser formulieren – dieses Statement aus der lösungsorientierten Beratung unterstreicht die Bedeutung des Paradoxons. Dirk Baecker: Wer ein Problem löst versündigt sich streng genommen gegen die Logik, verwandelt eine wahre Aussage („das ist ein Problem“) in eine Falsche („es stimmt nicht, dass das ein Problem ist“).
Auf den Punkt gebracht: Probleme werden dort gelöst, wo sie nicht als Problem gesehen (d.h. konstruiert) werden.

Zum Beispiel unter der Dusche.
Wer hat sich noch nicht gefragt, warum viele gute Ideen (also: Lösungen!) unter der Dusche, beim Radfahren oder sonstwo – jedenfalls weit vom entsprechenden Problem entfernt – entstehen?
Die Studierstube, der Arbeitsplatz und alle Umgebungen, die als problembeladen gelten, sind reservierte Zonen – vom Problemdenken besetzt. Nur durch Entkopplung wird Lösung möglich.

Dies lässt sich auch trefflich mit der Geschichte des US-amerikanischen Mathematikstudenten illustrieren, der – zu spät zur Klausur gekommen – eine an die Tafel geschriebene Aufgabe gerade noch zu lösen schafft. Und erst später erfährt, dass es sich dabei nicht um eine Prüfungsaufgabe sondern um ein bisher ungelöstes Problem der Mathematik handelte (zit. nach The Stanford Daily vom 8.2.1991)

Wenn Probleme die Basis organisatorischen Handelns und Entscheidens sind, werden bestenfalls Diagnosen verbessert (man weiß dann genau warum es nicht geht). Lösungen können aber nur dort entstehen, wo die freie Sicht nicht durch Probleme verstellt ist.

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