Resilienz ist kein Gummiband

Kommentar zu einem Artikel von Beatrice Vomberg-Miszori in Trainingaktuell

 

 

Kollegin Vomberg-Miszori vergleicht in ihrem Artikel: „Resilienztraining ist Unsinn“ Resilienz mit einem Gummiband. In der ersten Hälfte ihrer Argumentation ist ihr absolut zu folgen, die logi­schen Konsequenzen, die sie anhand der Metapher vom Gummi zieht kann ich aber nur schwer nachvollziehen.

 


aus der zukunft lernen

 

Work-Life-Balance – Ich sehe das ähnlich wie Vomberg-Miszori: Alleine schon durch die verbale Bezeich­nung spaltet dieser Begriff die Arbeit vom Leben ab, stellt beide Konzepte diametral gegen­über und produziert dadurch Spannung. Unauflösbare Span­nung wie mir scheint.

Die Lehre vom Gummi, die sie im zweiten Teil ihres Beitrages bringt ist hingegen zumindest widersprüchlich.

Wir müssen nicht lange in Wörterbüchern schmökern: Resilienz bedeutet in diesem Sinn Elastizität (physikalisch, emotional aber auch organisational). Diese Elastizität bezeichnet die Qualität, mit der ein Mensch (aber auch eine Or­ganisation) nach einer außerge­wöhnlichen Belastung wieder in den ursprünglichen stabilen Zustand zurückfindet.
Damit wird vieles verständlich: Egal in welchem Zustand sich ein Mensch, eine Organisation oder ein Stück Gummi vor einer Belastung befindet, es geht darum, dorthin wieder zurückzufinden – mindestens.
Dieses Zurückfinden ist beim Gummi – solange er noch elastisch ist – selbstverständlich, nicht aber für Menschen und Organisationen:

Meist neigen wir dazu Schuldi­ge zu suchen anstelle selbst Verantwortung zu übernehmen, Kopfnicken und Bestätigung durch andere hilft, sich in der Opferrolle wohl zu fühlen. Der Fokus auf das Gestern, auf den Zustand vor der Krise, verstellt den Blick nach Vorne und damit die Möglichkeit, Ausschau nach neuen Lösungen zu halten.
Damit befinden wir uns aber auch schon am direkten Weg hinein in die Negativspirale, hin zum tiefen Boden, auf dem BurnOut und Depression trefflich gedeihen. Oder – um das Bild vom Gummi weiter zu strapazieren: Das ist der Grund warum die Elastizität nachlässt.

Resilienztraining kann dabei helfen, die eigene Haltung zu reflektieren. Training mag vielleicht nicht der richtige Begriff dafür sein – es ist eher ein Stück Selbsterfahrung und Achtsamkeit, eine Frage der Haltung eben – und die kann man nur schwer von einen Tag auf den anderen ändern. Und das hilft nicht nur die Elastizität zu erhalten, zu pflegen, sondern vor allem zu stärken. Die verschiedenen Aspekte herauszuarbeiten, Möglichkeiten aufzuzeigen, Verdinglichungen und Konstruktionen aufzulösen.
Im Unterschied zur physikalischen Resilienz eines Gummibandes können Menschen und Organisation sich weiterentwickeln, lernen. Das passiert nicht selbstverständlich und ohne bewusstes Zutun – unser Wissen steht dem Lernen meist im Weg – aber es ist möglich. Der Gummi hingegen wird immer schlapper.

Vor allem der systemisch-kon­struktivistische Blick auf die Welt zeigt uns, dass Alternativen möglich sind. Und darum geht es in der Auseinandersetzung mit der persönlichen oder organisationalen Resilienz. So wird es auch möglich, gleichsam aus der Zukunft zu lernen.

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